Von Ansgar Schanbacher
Im Stadtbild von Palermo ist sie vielfach präsent – die Stadtheilige Santa Rosalia. In Süditalien verehrt seit dem 12. Jahrhundert, ist sie seit der Pest von 1624/25 eine feste Größe im religiösen Leben und Teil des kollektiven Gedächtnisses der sizilianischen Stadt. Dies gilt nicht nur für die Vormoderne, sondern auch für eine große Krise des 21. Jahrhunderts und eignet sich damit gut für eine historische Betrachtung.

Über 9.000 Menschen starben, als die Pest Palermo in den 1620er Jahren heimsuchte. Die Beendigung dieser Seuche schrieb man dem Eingreifen der Nonne Rosalia zu, die im 12. Jahrhundert nach Konflikten am normannischen Königshof in Palermo – die Normannen beherrschten Sizilien zwischen ca. 1061 und 1194 – nahe der Stadt als Einsiedlerin lebte. Ihre Gebeine wurden 1625 in einer Höhle auf dem Hausberg der Stadt, dem Monte Pellegrino, wiederentdeckt, nachdem eine vornehme, schwer kranke Palermitanerin dies in einer Vision gesehen hatte. Rosalia wurde anschließend am 15. Juli 1625 in einer Prozession durch die Stadt getragen und in der Kathedrale von Palermo aufgebahrt. Bereits 1630 erfolgte ihre Kanonisation,1 seit 1686 gibt es Prunkwägen, die zum Stadtfest durch die Straßen gezogen werden.2
Das Fest der Santa Rosalia und die Heilige selbst wurden dabei in weiten Teilen Europas bekannt, wie entsprechende Reiseberichte, u.a. von Johann Wolfgang v. Goethe nachweisen.3 Der italienische Politiker und Schriftsteller Francesco Domenico Guerrazzi (1804-1873) machte dies deutlich, wenn er eine Romanfigur aussprechen ließ: „Wenn du reist, gehe Forellen angeln in der Schweiz, trinke Wein aus Porto in Lissabon, schaue dir die Pferderennen in London an und nimm in Palermo am Fest der Heiligen Rosalia teil“.4

Auch heute ist die Heilige im Stadtbild Palermos häufig anzutreffen (s. Abb. 2), die Stadt nutzt sie ebenfalls für aktuelle Aktivitäten wie eine Fotoausstellung unter dem Motto „Palermo rifiorisce con Santa Rosalia“ oder eine Fahrradtour auf den Monte Pellegrino. 5
Besondere Aktualität erhielt die frühneuzeitliche Heilige während der Corona-Epidemie 2020. Während des staatlich verordneten Lockdowns waren die sonst sehr belebten Straßen Palermos leer, die Heilige wurde u.a. per WhatsApp um ihre Unterstützung gebeten.6 Im Juli 2022 wurde außerdem eine Tafel verschiedener Vereine und Künstlergruppen mit der Inschrift „Santa Rosalia befreie uns von der Pandemie“ im Zentrum der Stadt eingeweiht (Abb. 3).

Das Beispiel der Heiligen Rosalia zeigt, wie eine Stadtgesellschaft eine prägende Tradition begründen, erfolgreich pflegen und auf aktuelle Herausforderungen und Interessen anwenden kann. Eine Verknüpfung zwischen Religion, Tradition und Feierlichkeiten verspricht dabei offensichtlich eine besonders starke Verbindung. Eine solche, genauso wie Brüche und misslungene Versuche einer entsprechenden Traditionsbildung könnten anhand der Stadtheiligen Palermos, aber auch an anderen Fallbeispielen noch verstärkt herausgearbeitet werden.
- Welche politischen und kirchlichen Implikationen der Prozess der Heiligsprechung in der Frühen Neuzeit besaß, lässt sich am Katastrophenheiligen Franciso Borja zeigen: Monica Azzolini, The Making of a Transnational Disaster Saint, in: Ovanes Akopyan und David Rosenthal (Hg.), Disaster in the Early Modern World, New York / London 2024, S. 272-292. [↩]
- Salvo Di Matteo, Palermo. Storia della città. Dalle origini ad oggi, Palermo 2002, S. 101; Joachim Schäfer: Artikel Rosalia von Palermo, aus dem Ökumenischen Heiligenlexikon – https://www.heiligenlexikon.de/BiographienR/Rosalia_von_Palermo.html, abgerufen am 2.5.2025. [↩]
- „ Die heilige Rosalie, Schutzpatronin von Palermo, ist durch die Beschreibung, welche [Patrick] Brydone von ihrem Feste gegeben hat, so allgemein bekannt geworden, daß es den Freunden gewiß angenehm sein muß, etwas von dem Orte und der Stelle, wo sie besonders verehrt wird, zu lesen.“ Johann Wolfgang v. Goethe, Italienische Reise, Palermo, den 6. April 1787; https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/ital183.html; abgerufen am 6.5.2025. [↩]
- Eigene Übersetzung; zit. nach: Bernardo Tortorici di Raffadali (Hg.), Correva l’anno 1624. Palermo. La Peste. S. Rosalia. Documenti dell’Archivio Storico Comunale, Palermo [2024], S. 6; Schäfer, Rosalia von Palermo. [↩]
- https://www.comune.palermo.it/novita/palermo-rifiorisce-con-santa-rosalia-marted-18-marzo-presentazione-tour-internazionale-della-mostra-realizzata-alla-gam/; https://www.comune.palermo.it/novita/pedaliamo-incontro-a-rosalia-domenica-prossima-passeggiata-in-bicicletta-fino-al-santuario-di-monte-pellegrino/; abgerufen am 2.5.2025. [↩]
- Vgl. https://www.theguardian.com/world/2020/mar/13/palermo-pins-hopes-patron-saint-rosalia-rid-italy-coronavirus?CMP=share_btn_url; abgerufen am 2.5.2025. [↩]
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Ansgar Schanbacher (6. Mai 2025). Santa Rosalia – eine Stadtheilige zwischen Pest und Corona. Stadtgeschichten. Abgerufen am 12. Mai 2025 von https://doi.org/10.58079/13vkt